Ruhr-Rhein-RadTour

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Fahrrad mit Tasche

So, jetzt sind wir den Ruhrtalradweg gefahren. Von Winterberg, dem Quellort der Ruhr, bis zu ihrer Mündung in Duisburg in den Rhein, erkundeten wir das „Ruhrgebiet“. Für uns ging es nach ihrer Mündung in den Rhein stromaufwärts bis nach Monheim am Rhein.


Auf den Punkt gebracht

26. August 2024

Eine abwechslungsreiche Landschaft und Region durchfuhren wir. Vieles hat sich bestätigt: Die Ruhr ist grün. Hier lässt sich nicht selten teuer und gut wohnen. Abseits von ihr gibt es zahlreiche Quartiere, die sich  zurückgelassen fühlen dürften. 

Industriegebäude in Meschede

Industriekultur ist gut und sinnvoll. Touristen wie wir, lassen Geld in der Region. Doch die Zahl der neu entstandenen Stellen entspricht bei weitem nicht den verschwundenen Arbeitsplätzen. Davon zeugen die zu besichtigenden Ruinen und stillgelegten Werke. Den Begriff Strukturreform, erinnere ich noch aus dem letzten Jahrhundert. Ist sie gelungen oder abgelaufen? Und doch, gut, dass sich hier etwas Neues entwickelt und verselbstständigt hat. Das Ruhrtal ist eine Reise wert. Mindestens. 

Logo aus längst vergangenen Tagen: August Thyssen Hütte

Über uns

Naja, Quartiere auf einem Berg, hätten nicht sein müssen. Doch wir haben jede Steigung gemeistert. Die Buchung von Bett und Frühstück hat meine Frau und letztlich mich, entlastet. Unser Tagesziel war klar, die Entfernung in etwa auch. Mit Pausen konnte ich so die Etappen überschaubar und nicht Angst einflößend gestalten. Das schaffe ich nicht, gab es nie. Ein: Wann sind wir endlich da?, schon ab und zu.

Was ich nicht los werde, sagen viele die mit mir reisten: Zuviel eingepackt. 

Wir hatten trotz der Begrenzung auf je zwei Fahrradtaschen, viel zu viele Klamotten dabei. Selbst wenn wir vier Wochen geradelt wären, es hätte diese Fülle nicht gebraucht. 

 

Beobachtet

Überfordern ist so leicht.Mit diesem kleinen Satz ist vieles gesagt. 

Selbstverständlich“ oder „verlässlich“, sind keine alltagstauglichen  Erwartungen.

Das Wahrnehmen der Verlangsamung von Reaktionen ist außerhalb des Straßenverkehrs vielleicht nicht mit der Aufforderung verknüpft, mich und mein Verhalten neu zu justieren. Dort schon. 

Nachdenken zur richtigen Zeit, am richtigen Ort ist eine wichtige Gabe. Doch wenn beim Rad fahren die Überlegung, was ist mit links / rechts gemeint, Zeit in Anspruch nimmt und die Räder sich weiter drehen, kann es zu stressigen Situationen führen. 

Wenn die Aufforderung: „Halt bitte an“, zur Folge hat, dass meine Frau  überlegt die Bremsen bedient und dort stehen bleibt, wo das Rad zum Stehen kommt, ohne zuvor oder gleichzeitig rechts ran zu fahren, ist das nicht stressfrei. Auf Rad- und Feldwegen stellt das kein Problem dar. 

Die Vorsicht oder anders ausgedrückt, ihre Unsicherheit zeigte mir andererseits, dass ich unnötige Risiken und Stress produzierte. Sie hatte nicht nur einmal die klevere, stressfreiere Lösung gefunden. 

Ich wollte mich z. B. auf einer stark befahrenen vierspurigen Straße in Duisburg uns in den Linksabbieger einordnen. Sie folgte mir nicht. Statt dessen entdeckte ich meine Partnerin auf einem Radweg entlang der Straße, den ich durch meine Fokussierung nicht erkannt hatte. Dank des Verständnisses von Autofahrern, konnte ich sicher zurück zu meiner Frau fahren. 

All meine Beobachtungen führen bei mir nicht zur Schlussfolgerung, dass das Radfahren für meine Frau nicht mehr geeignet und zu risikoreich wäre. Nein.

Ich muss mich bei einer Tour ihren aktuellen Möglichkeiten anpassen. Ein Festhalten von, das ging doch gestern noch oder das ist selbstverständlich, produziert bei mir und versetzt meine Frau in Stress. Zu viele von mir gegebenen Impulse lenken sie von ihrer Konzentration auf die Straße und den Verkehr ab. Lieber einmal mehr stehen bleiben. Dass das ja schon funktioniert hat, beweist ja die Bewältigung von Steigungen. Anhalten, sagen wie was neu justiert werden soll und dann los fahren. Oben angekommen, anhalten, neu einstellen und weiter geht’s. 

Energie

Von Ort zu Ort mit Gepäck auf unbekannten Wegen Rad fahren, ist schon anstrengend. Für meine Frau umso mehr. In den neun Tagen hatte sie nicht oft die Möglichkeit gehabt, sich einfach einmal zurückzuziehen und zu ruhen. 

Ich bin beeindruckt, wie toll sie das gemeistert hat. Nicht verwunderlich war für mich, dass sie bis auf wenige Ausnahmen, spätestens gegen 21 Uhr eingeschlafen war.  

Um die Wettervorhersage für den kommenden Tag zu checken und um eine Idee für den Ablauf zu entwickeln, war Zeit. Mit Bildern betrachten, sie rudimentär zu bearbeiten, für den Blog zu schreiben  und online zu stellen, die TAZ, Spiegel online oder in der Tagesschau App zu lesen um das Zeitgeschehen zu verfolgen füllte sich mein Abend. Der Deutschlandtour in der Sportschau App zu folgen, Podcasts und Musik zu hören, waren eine willkommene Ergänzung.

Radfahrer in Kupferdre

Fazit

Wie sagte es meine Frau am Sonntag beim Frühstücken: 

„Wir hatten auch eine schöne Zeit.“

Da gibt es nichts hinzuzufügen. 


Düsseldorf-Wittlaer – Monheim am Rhein

24. August 2024. Die siebte und letzte Etappe. Unsere Heimreise, nach einem guten Frühstück.
Die Richtung ist klar, einfach auf dem Rheindeich bis nach Hause fahren. Einige kleinere Schlenker waren dann doch in die Streckenführung eingebaut.

Der Westwind von gestern hat sich mit Macht ins Heute gerettet. Für das Bike meiner Frau wählte ich „Sport“ als Unterstützungsmodus, um eine frühzeitige Ermüdung zu verhindern. Die wenigen Pausen verkürzen sich. Müsliriegel, Apfel und Wasser waren eine gute Kombination zum Energie tanken. 

Entspannt unter der Sonne auf dem Deich

Der Korridor für die startenden Flugzeuge vom Düsseldorfer Flughafen ist riesig. Gefühlt geht jede Minute geräuschvoll eine abhebende Maschine über unsere Köpfe hinweg. Beiderseits des Rheines zählen diese Orte zu den  begehrten Wohnlagen. 

Haus am Deich

Auf einem Abschnitt, in dem auch motorisierte Fahrzeuge die Fahrradstraße befahren durften, ist meine Frau mit einem Mal sehr weit links gefahren. Ich habe sie gerufen und aufgefordert, rechts zu fahren. Sie war verwirrt und fuhr weiter nach links. Ein folgendes Motorrad konnte noch rechtzeitig bremsen. Niemandem ist etwas geschehen. Ich hatte einen kurzen Schweißausbruch, der nicht dem Wetter geschuldet war. 

Je weiter der Morgen voranschreitet, desto voller wird der Rheindeich. Skaten, Joggen, Rennrad fahren, Spazieren gehen, Hunde ausführen, Kinderwagen schieben, Rad fahren lernen oder einfach auf einer der Bänke sitzend den Schiffen auf dem Rhein folgen, bestimmt das Treiben auf dem Rheindeich. Das alles geschieht in großer Gelassenheit und mit sehr viel Rücksichtnahme. 

Mir ist aufgefallen, dass die Stopps zum Schauen und  Fotografieren je näher wir der Düsseldorfer Innenstadt kamen weniger wurden. Ist halt bekanntes Gelände. Der Energie, die einen nach Zuhause zieht, ist nicht nur schwer zu widerstehen.

Entlang des Rheindeichs finden sich außerhalb der Altstadt einige Anbauflächen für Gemüse. Man kann diese anmieten und dort in Gemeinschaft gärtnern. An einem Hof stand ein Tisch mit Tomaten und Salatgurken. Geld in die Dose legen und die gekaufte Gebinde mitnehmen. Wir haben uns mit Tomaten eingedeckt. 

Gemüsegarten zu pachten

Im Rheinpark Golzheim tummelten sich Sportgruppen und Solisten bei ihren Leibesübungen. Auf dieser großen Fläche war echt was los. 

Ab den Rheinterrassen mit den von Werbebannern dominierte Museumsmeile, wurde es voller und heißer. Das Grün fehlte zur Temperaturregelung.

Medienhafen Düsseldorf

Kurz nach der Brücke über den Rheinzufluss in den Medienhafen befindet sich links eine für mich besondere Welt. Die Kunstgießerei Kayser ist dort ansässig. Durch den Zaun geschaut, entdeckt man Skulpturen. Ob sie noch fertig gestellt werden müssen, kann ich nicht erkennen. 

Am Golfplatz war es kein Problem, auf Nachfrage, die Toiletten zu nutzen. Man war sehr freundlich und hilfsbereit, obwohl der Betrieb des Restaurants noch geschlossen war.  

Ab dem Medienhafen zog es uns immer kräftiger nach Hause. Entspannt rollten wir Monheim entgegen. Am Volmerswerther Deich bin ich immer wieder über die Größe der Gärtnerei Heidkamp erstaunt. An der Fleher Brücke überkam mich der Gedanke, diese zu überqueren und auf der linken Rheinseite zu fahren, um in Zons die Fähre zu nehmen. Dieser Umweg fand keine Zustimmung.

Ab dem Wasserwerk Flehe, wo es immer frisches Trinkwasser gibt, wird es sehr laut und man verlässt den Rhein, um durch Himmelgeist und Holthausen nach Benrath zu gelangen. Die Baustellen verhindern, dass man direkt wieder ans Rheinufer zurückkehren kann. Entlang des Schlossparks ging es nach Urdenbach, um durch die wunderbare Urdenbacher Kämpe, vorbei am  Haus Bürgel nach Baumberg zu rollen. Am Rheinufer begrüßt einen das Aalfischerei Museum. Es befindet sich im ehemaligen Aalschokker „Fiat Voluntas“, den die Toten Hosen für ihr Plattencover „Unter falscher Flagge“ nutzten. Dort kann man eine Rast einlegen. Ein Wasserspender steht ebenso zur Verfügung wie eine Luftpumpe und gute Bänke zum Verweilen. 

An der Großbaustelle Kulturraffinerie K714 schaut die „Leda mit dem Schwan“ von Markus Lüppatz. Eines von mehreren hochkarätigen Kunstobjekten im öffentlichen Raum in Monheim am Rhein. Auf dem Rheindeich kann man noch weit fahren. Für uns war am ersten Abzweig Schluss. 

Zu Hause angekommen:

Auspacken, Einkaufen, Wäsche gewaschen, Verteilen, News versenden, Post lesen, Kochen, Wegstrecke berechnen: 

350,78 Kilometer sind wir, von Komoot berechnet, gefahren.

„Das war gut“, war die spontane Reaktion meiner Frau nach Bekanntgabe der Summe an Kilometern. Ja, es war gut.

Dann einkaufen, denn der Kühlschrank hat nichts zu bieten. Zur Belohnung und weil wir Durst hatten, entschieden wir uns noch für ein Eis. Meine Wahl fiel auf Unbehaun, eine unspektakuläre Eisdiele, vor der sich immer Schlangen von Wartenden bilden. Die Eismacher von der (nicht nur) Düsseldorfer sagen, die können es am Besten, dort gibt es das beste Eis der Stadt. 

Unbehaun auf der Aachener Straße

Heute früh, am Sonntag beim Frühstücken: Wir hatten auch eine schöne Zeit.

Da gibt es nichts hinzuzufügen. 


Mülheim an der Ruhr – Duisburg – Düsseldorf-Wittlaer

23. August 2024. Die sechste und vorletzte Etappe.

Nach dem überschaubaren Frühstück ging es kurz nach neun Uhr auf die Räder in Richtung Ruhrmündung. Den Ruhrtalweg zu finden, war dank Komoot nicht allzu schwer. Mülheim am Ruhr hat mit dem Aquarius Wassermuseum ein tolles Ausflugsziel. 

Wassermuseum Aquarius

Kurz nach dem das Aquarius hinter uns lag, wurden wir umgeleitet. Der Ruhrtalradweg war nicht befahrbar. So wurden wir am Rande durch Oberhausen geführt. Die Verkehrsbelastung ging noch, doch es nervte ein wenig. Es ist halt anders, zu zweit, länger durch einen fließenden Verkehr fahren zu müssen. Ich fahre nicht für mich alleine. Meine Frau braucht meine Unterstützung. 

Wir haben uns in dieser Woche gut eingespielt. Jede Änderung der Einstellungen am Rad meiner Frau erfolgt stehend. Es ist nicht möglich, z.B. die Aufforderung, den Gang umzustellen, im Fahren umzusetzen. Mit den nötigen Stopps, geht das ganz gut.  Ich bedenke, dass ihre Reaktionsmöglichkeiten reduziert sind. Mein Tempo ist nicht ich ihr Tempo.

Zurück auf den nicht gesperrten  Ruhrtalradweg zu kommen, war alles andere als leicht. Selbst mit Komoot gelang das nur bedingt. Hilfreich ist es, in etwa einen Plan vom Verlauf der Ruhr und von der Region zu haben. 

Seit wir Mülheim an der Ruhr verlassen haben, hat sich der Charakter der Tour verändert. Das Urbane drängt an den Fluss. Da ist wenig Platz für freie Flächen. Die Stadtquartiere und je näher man dem Duisburger Hafen kommt, die Industrie und Logistik, rücken ganz nahe an die Ruhr. Die Streckenführung ähnelt denen von Serpentinen. Nur geht es nicht bergauf oder bergab. 

Wir schafften es für eine kurze Zeit nach Duisburg an der Ruhr entlang zu rollen. Unter den Autobahnbrücken der A40, der A3 und später noch der A59 fuhren wir hindurch. Diesen Teil der Ruhr hatte ich bislang nur vom Auto aus wahrgenommen. Unser Ziel war, die Mündung der Ruhr in den Rhein zu sehen. Eine entsprechende Beschilderung war nicht vorhande

Kurz vor dem Verlassen einer Hauptverkehrsstraße begegneten wir einem Paar, das wie wir in Mülheim an der Ruhr im Haus Kastanienhof übernachtet hatte. Sie suchten den Abzweig, um zur Flußmündung zu kommen. Hier gab Komoot den richtigen Hinweis, wo wir abzubiegen hatten. Sie folgten uns. Wir haben uns gefreut, dass wir jetzt unser Ziel, die Ruhr von ihrer Entstehung bis zur Vereinigung mit dem Rhein, zu entdecken, erreicht hatten.

Unser kleiner Plausch an der Landmarke Rheinorgane offenbarte, dass nicht nur wir zeitweilig unsere Probleme mit der Beschilderung hatten. Sie sagten, dass sie unnötigerweise mindestens 45 Kilometer an Umwegen gefahren seien, weil die Beschilderung nicht klar war. Ihre zur Verfügung stehende Zeit und ihr Speed waren gänzlich anderes als bei uns. Drei Tage standen ihnen für die Strecke von der Quelle der Ruhr in Winterberg bis hierhin zur Verfügung. 

Bislang gefahren

Seit heute Mittag hat sich unsere Fahrtrichtung geändert. Bislang ging es nach Westen, ab jetzt nach Süden. Hier am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr haben wir Stromkilometer 780. Der Stromkilometer 714 ist unser Ziel, Monheim am Rhein. Doch leider ist das gar nicht so einfach aus dem von Hafen und Industrie geprägten Teil Duisburgs hinauszufinden. Eine idyllische Wegführung suchen wir vergebens. Egal.

Nach dem Verlassen der Nahtstelle zwischen Ruhr und Rhein steht das Problem, Toilette finden, auf meiner ToDoListe. Nichts leichter als das. Wir treffen bzw. sehen Menschen, doch die sind mit der Schur von Schafen beschäftigt und wissen nur, wohin sie gehen, wenn es dann nötig ist.

Mobile Schafschur am Rhein

Es braucht eine Zeit, bis wir zwei ältere Menschen treffen, die uns sagen konnten, wo wir ein Café finden. Alles traf zu und meine Frau konnte auf eine Toilette gehen.

Wir wurden von einer Gruppe älterer Männer, vor dem Café sitzend, eingehend in Augenschein genommen. Wir und unsere beiden bepackten Räder, wurden untereinander zum Gesprächsgegenstand. Nur niemand richtete das Wort an uns. 

Duisburg ist die Stadt des Hafens, des Umschlages, der Produktion von Stahl und anderen Dingen, die Platz benötigen und Schwerlastverkehr auf die Straße bringen. 

Es macht keinen Spaß mit einem Rad entlang der Routen des LKW Verkehrs zu fahren. Zwischenzeitlich hat meine Watch mir mitgeteilt, dass der Lärmpegel von deutlich über 90 Dezibel erreicht sei. 

Stele – Rhein teilt Duisburg

Mal dem Wasser nahe, dann wieder zurück in die Industriebereiche um nach einigen Kilometern wieder für einen Moment an den Fluss zurückzukehren. Das wiederholt sich.

Ein stürmischer Westwind ist seit heute früh unser Begleiter. Wir müssen sehr aufpassen, wie wir fahren. Die unberechenbaren Böen erwischen uns, wenn wir eine Schneise durchfahren. Sie erwarten uns nach dem Passieren eines großen Gebäudekomplexes, auf einer der zahlreichen Brücken über den Hafen und beim Fahren auf dem Rheindeich. 

Der Wind ist so präsent, dass es nötig ist, die Unterstützung beim Fahren meiner Frau von Tour auf Sport und bei Steigungen an Brücken auf Maximum anzuheben. Gut, dass das unproblematisch ist.

In einem REWE decken wir uns mit Obst, Joghurt und Brötchen ein. Auf dem Rheindeich zwischen Duisburg und Düsseldorf, im Wind sitzend und ihm trotzend, machen wir unsere Siesta. 

Die restlichen fünf Kilometer bis nach Düsseldorf – Wittlaer, wo auch schon mal unser ehemaliger Bundespräsident Richard von Weizsäcker gelebt hat, lagen zügig hinter uns. Nach gefahrenen 46 Kilometer, die in Teilen mental sehr herausfordernd waren, erreichte wir das gebuchte Hotel.

Das Hotel Villa Verde ist gemütlich. Unser Zimmer ist größer als das von gestern, hat ein Doppelbett und auch das Bad hat etwas mehr Platz. Schön ist, dass uns eine Art von Wintergarten am Zimmer zur Verfügung steht und den Blick in den schönen Garten gewährt. Eine Gruppe grüner Papageien erfreut meine Frau. Allerdings warten sie nicht, bis sie die Kamera auf sie richten kann.

Im Ort eine Kleinigkeit zu essen, war okay. Zwei gastronomische Anbieter gibt es noch in Wittlaer. Die leerstehenden Gebäude mit einschlägiger Bierwerbung und dem Hinweis, dass hier nur Gäste parken dürfen, zeugen von einer früheren Vielfalt. Der beim Essen kurz einsetzende Sprühregen hat uns unter einer Markise kaum gestört.
Die Wetterprognosen von morgen, sprechen von schwül-heißem Wetter mit Gewittern und Regen am Nachmittag. Das kann anstrengend werden.

Wir werden früh um acht Uhr frühstücken, um gegen neun Uhr auf dem Fahrrad zu sitzen. Die rund 45 Kilometer bis nach Hause, sollten bis mittags zwischen 14 und 15 Uhr geschafft sein. 


Hattingen – Mülheim an der Ruhr

22. August 2024. Kurz nach neun Uhr sind wir nach einem guten Frühstück in Richtung Essen zu unserer fünften Etappe aufgebrochen. Eine Woche sind wir jetzt unterwegs.

Die Ruhr ist sehr schön, lebendig und schnell in diesem Bereich. Auf den ersten Kilometern konnten wir zahlreiche Kühe „frei“ weiden sehen. Große Weidegitter zäunen eine weite Fläche ein, wo die Tiere frei herumlaufen können. Von uns nahmen sie keinerlei Notiz.

Ruhr bei Hattingen

Je näher wir Essen kamen, wurden alte Erinnerungen wach. In der Winzermark lebten Paten. Als wir durch die unklare Beschilderung hoch zur ehemaligen Burg, Haus Horst, in Horst, geführt wurden, gaben sich die Erinnerungen die Klinke in die Hand. Hier wohnten früher Freunde, dort war meine erste Arbeitsstelle nach dem Studium, hier eine befreundete WG, dort die Wirkungsstätte eines Studienfreundes…

In einer Bäckerei nutzten wir nacheinander die Toilette. Meine Frau zu erst. Nach 10 Minuten erreicht mich ein Anruf „Ich komme nicht aus der Toilette raus”. Ihr war die Entriegelung der Tür nicht möglich. Wie gut, dass sie angerufen hat. Gemeinsam haben wir dann die Tür öffnen können. 

Die Beschilderung mit dem Logo des Ruhrradweges auf dem Essener Gebietes, ist unzureichend. Komoot ist eine gute, viel genutzte Unterstützung. Auf dem Weg nach Kupferdreh, war der komplette Ruhrradweg gesperrt. Die Umleitung war ausgeschildert.

In Kupferdreh standen wir vor der Wahl, ob wir am rechten oder linken Ufer des Baldeneysees fahren wollten. Die rechte Seite kennen wir sehr gut. Ergo, wir entschieden am linken Ufer des Baldeneysees entlang zu radeln. Am Ende des Sees, wartet der Stadtteil Werden. 
Dort habe ich unter anderem meinen Zivildienst erfüllt. Auf dem Weg hatten wir einen tollen Blick über den See auf die Villa Hügel und die Regattastrecke. Hier hat meine Frau als Schülerin, im Sportunterricht Rudern gehabt. 

Blick in Richtung Villa Hügel

Dass man am „Seaside Beach Baldeney“ unter anderem Peter Fox live on stage erleben konnte und kann, ist den Fans so was von klar. Der Baldeneysee ist ein Freizeitareal erster Güte, ob auf oder im Wasser, als Skater rund um den See zu gleiten oder zu Fuß oder per Rad, ganz egal. Wer will, kommt auf seine Kosten.

links. Von der Folkwang genutztes Gebäude

Werden ist ein Besuch wert. Nicht nur die weltberühmte Folkwang Hochschule residiert hier. Der älteste Pfarrkirche nördlich der Alpen (mehr als 1.000 Jahre alt), steht in Werden. 

St. Lucius Kirche

Unsere Stimmung beim Rad fahren ist locker. „Ich freu mich auf zu Haus“, höre ich mehrfach. „Wie lange noch?“, folgt als Frage. Anders als beim „Ich will nach Hause“, schwingt hier keine Traurigkeit oder Erschöpfung mit. Interessant ist zu hören, wie meine Frau auf Impulse zu unserem, bzw. zu unserem jeweils eigenen Leben in Essen reagiert.

An einer Apotheke halte ich und kaufe noch ein Präparat nach. Um die Ecke gibt es das kleine Wohncafé Seizon. Im vergangenen Jahr hatten wir dort nach einem medizinischen Termin, lecker gegessen. Eine gute Adresse für eine Pause.

Wohncafé Seizon

Damals Kuchen, heute etwas herzhaft Kleines. Wieder sehr lecker. Zwischenzeitlich strömen die jüngeren Schüler:innen des benachbarten Gymnasiums durch die Gassen. Studierende, die Instrumente auf dem Rücken tragen, gehören ebenso zum Straßenbild. Mir macht es Spaß, einfach in einem Café zu sitzen und zuzuschauen, was so passiert.

Die weitere Fahrt entlang der Ruhr verläuft von nun an nur rechts des Ufers. So müssen wir die Gustav-Heinemann-Brücke nutzen, um dorthin zu gelangen. Auf dem Baldeneysee und der Ruhr verkehrt bis zu Mündung die weiße Flotte. Gut zu erkennen ist das durch die roten und die großen grünen Bojen mitten in der Ruhr.

Unser nächstes Zwischenziel ist Kettwig. Ein schöner alter Ortskern, wartet auf uns. Kettwig liegt am Hang und so geht es streckenweise recht steil bergan.

Oben angekommen strömen Schüler:innen an uns vorbei. Ich stoppe eine kleine Gruppe und frage, wo ihrer Meinung nach das beste Eis in Kettwig angeboten wird. Sie verweisen auf das italienische Eiscafé unten an der Ruhrbrücke. Na dann mal los. Runter zur Ruhr müssen wir ja sowieso, denke ich. 

Nach der kurzen Pause in Kettwig ging es weiter am Ruhrufer entlang nach Mülheim an der Ruhr. Auf dem Strecke wollten wir anhalten, unsere englische Decke ausbreiten und Siesta machen. Weiter und weiter fuhren wir, doch es kam kein geeignetes Plätzchen. Entweder lag rechts ein abgeerntetes Feld oder eine Wand aus Brennnesseln oder Sträuchern stand im Weg. Links das zugewachsene Ruhrufer.
Wenn Radfahrer:innen entgegen kamen, die wie wir Gepäcktaschen mitführten, wurde es eng auf dem Radweg. Niemand wollte sich in die Brennnesseln drücken lassen. Mit Freundlichkeit, Geduld, Umsicht und etwas Rücksichtnahme war das kein Problem.

A 52 Autobahnbrücken überspannt das Ruhrtal

Keine Siesta, dann eben eine kleine Orientierungspause am Wasserbahnhof von Mülheim an der Ruhr.
Ab hier habe ich Komoot weiterlaufen und uns per Apple Karte zum Hotel führen lassen. 

Ausflugsschiff am Wasserbahnhof Mülheim an der R

Unser vorletztes Hotel auf unserer Radreisende trägt in seinem Namen keinen Hinweis darauf, dass es hoch gelegen ist. Gut, dass ich vor der ersten Steigung beim Rad meiner Frau die Schaltung und das Unterstützungsniveau auf Berge umgestellt habe. Auf den letzten 600 Meter zum Hotel ging es kräftig nach oben. Ohne die Anpassung hätte es nicht geklappt.  

Am Haus KastanienHof, sind wir von den Rädern abgestiegen. Ein einfaches Zimmer mit zwei Betten und einem kleinen Bad, wurde uns zugewiesen. Für eine Nacht okay. Das Bad hat die richtige Größe für ein Tinyhouse, nur schlechter zugeschnitten.

Das Hotel liegt oberhalb der „Freilichtbühne Mülheim an der Ruhr“, auf der anscheinend heute Abend ein großes Programm geboten wurde. Ein riesiger Strom  von Menschen machte sich zum Veranstaltungsgelände auf, als wir runter in Richtung Fluss gingen. In der Altstadt haben wir dann gut zu Abend gegessen. Vor dem Eingang der Freilichtbühne haben wir versucht dem Programm auf der Freilichtbühne zu folgen. Schließlich trat unüberhörbar La Signora auf. Schade, dass wir nichts sehen und nicht wirklich gut verstehen konnten. Zweimal hatten wir das Vergnügen, sie live zu sehen, besser zu erleben.

Um am Abend noch einen Film zu schauen, musste ich erst einmal eine vollständige neue Sendersuche in Gang bringen. Zuvor sahen wir nur einen schwarzen Bildschirm. Nach dem Sendersuchlauf, waren alle Programme vorhanden. 

Morgen werden wir die Ruhr in Duisburg im Rhein münden sehen. Dann haben wir die Ruhr von ihrer Quelle bis zur Mündung erkundet. 


Hattinger Ruhetag

21. August 2024. Heute ist Ruhetag. Die Fahrräder bleiben, wo sie sind. Hinter einer verschlossenen Tür.

Das gute Frühstück haben wir alleine im großen Raum des Restaurant – Cafés zu uns genommen. Erst als wir fertig waren, kamen andere Gäste. Auf unserem Zimmer haben wir dann mittels der App Urlaubsgruss Postkarten für unsere Enkelkinder erstellt, drucken und versenden lassen.

Die Stimmung meiner Frau war dennoch entwicklungsbedürftig. Anders formuliert, sie hatte keine kooperative, gute Laune mehr. Warum? Ich hatte keine Ahnung.
Sie wollte fortwährend wissen, wohin wir denn liefen, um dann zu schweigen, um erneut ihre Fragen zu platzieren, wohin wir denn liefen. Warum fahren wir denn nicht Fahrrad?

Etwa 20 Minuten waren wir an der Ruhr entlang gegangen bis wir zur Henrichshütte kamen. Hier wurden einst im “ältesten Hochofen im Revier”  Eisen und Stahl erzeugt. Heute ist ein kleiner Teil des ehemals riesigen Werkes ein Museum der Industriekultur. Verwaltet wird es vom Landschaftsverband Westfalen Lippe.

Ehemalige Schaltzentrale

Meine Frau hat einen ermäßigten Eintrittspreis und ich den vollen Preis gezahlt.

Kultureller Ort

In der ehemaligen Gebläsehalle war die Fotoausstellung “Krieg und Frieden” der Magnum Fotografin Nana Heitmann zu sehen. Puh. Die Bilder haben Kraft. Nicht nur einmal musste ich schlucken. Es sind keine hektischen, effekthascherischen Fotografien.

„Massengräber für Wagner Söldner“

Ruhige Bilder. Es geht immer um Menschen. Sie leiden und verlieren im Krieg. Diese Botschaft kommt an.

Der Ausstellungsort ist gut gewählt, wurden hier in der Henrichshütte im ersten und zweiten Weltkrieg Tod bringende Güter produziert.

Randnotiz. Über den Einsatz von Zwangsarbeiter:innen oder über Häftlinge eines KZ- Außenlagers, fand ich keinen Hinweise. Kaum vorstellbar, dass es dies in diesem wichtigen Werk nicht gegeben hat. Merkwürdig.

Ausstellung „Krieg und Frieden“

Anfänglich war ich skeptisch, ob wir die Führung vollständig werden mitmachen können. Meine Frau wollte die Führung nicht buchen. Ich habe dennoch Tickets für uns gekauft. Der Museumsmitarbeiter machte seine Sache wirklich gut. Seinen Erzählungen konnten wir gut folgen und so verging die Zeit ziemlich schnell. Einige Orte, auf die er hinwies, haben wir später noch alleine aufgesucht.

Tja, was ist das denn?

Manchmal komme ich an Orte, die in mir viele Erinnerungen wecken. Das war heute so. Auf den Gleisen standen Waggons für den Transport von flüssigem Roh-Eisen. Vom Hochofen zur Weiterverarbeitung ins Stahlwerk. Das habe ich erlebt. In meiner Essener Studentenwohnung wackelte es, wenn Krupp mit seinen Waggons voller flüssigem Eisen langsam am Haus vorbei fuhr. 

Der rund vierstündige Besuch in der Henrichshütte hat mir, besonders mit der Führung und den Fotoausstellungen, sehr gut gefallen. Wie wir erfuhren, hat Hollywood 2022 für vier Wochen das Museum angemietet, blickdicht abgeriegelt, alle Beschäftigten ausgeschlossen und Teile für „Die Tribute von Panem: Das Lied von Vogel und Schlange“ gedreht.
Ich kann mir vorstellen, noch einmal wiederzukommen. Vielleicht im Rahmen eines Konzertes oder Ausstellung? Kulturprogramm gehört zum Museum.

Auf dem Rückweg stellte meine Frau fest, dass es gut wäre, jetzt Fahrrad zu fahren. Wo sind denn unsere Helme, fragt sie mich? Tja, die sind bei unseren Fahrrädern im Abstellraum des Hotels. 

Rohrleitung

Erfahrungen

Abends, das ist bei uns die Zeit ab 18 Uhr, sind wir mit den Rädern in die Altstadt gefahren. Denn leider war der Koch des Hotels erkrankt nicht zur Arbeit erschienen. Und so gab es hier an der Ruhr nichts festes aufzutischen. Abendessen, dann auswärts.
Auf dem Kirchplatz haben wir in einem neapolitanischen Restaurant gut gegessen. Dass der zum Abschluss bestellte Espresso dann von Van Dyck aus Köln kam, war unerwartet toll.
Nicht ungewöhnlich, meine Frau nutzt die Toilette im Restaurant. Auch hier war es so, dass es mehrere Optionen gab, den Bereich der Toilette zu verlassen. Meine Frau hat beide Ausgänge getestet. Der erste führte sie auf eine kleine Straße, ohne Tische und Stühle. Diesmal ging sie zurück.
Die zweite Option brachte sie wieder auf den Kirchplatz, wo sie zuvor mit mir saß. Ich war noch da.
Eine neue Erfahrung. Vielleicht muss ich zukünftig als erster die Toiletten aufsuchen um zu erkunden, wie viele Ausgänge es gibt und wo sie enden?

Die Akkus unserer Fahrräder sind voller Energie. Morgen früh wird es weiter gehen. Die fünfte Etappe nach Mülheim an der Ruhr steht dann an.


Wetter-Wengern – Hattingen

20. August 2024. Dialog vor dem Frühstück: Sie: Ist heute unsere letzte Etappe? Ich: Nein. Sie: Och Nö. Dennoch sind wir gut gelaunt. Die Sonne scheint. Auf dem Weg zum Frühstücksraum wird meine Frau abrupt durch eine Glastüre gebremst. Sie hat sie nicht gesehen. Aua. Eine Beule über dem linken Auge bildet sich. Kopfschmerzen stellen sich nicht ein. Nach dem Frühstück, es war okay, geht es entspannt ans Packen. Die Glasscheibe ist kein Thema mehr.

Hinweis – bitte ernst nehmen

Gegen neun Uhr sind wir bei angenehmen Temperaturen gestartet. Gestern hatten wir uns entschieden, nicht die 20% Steigung zu nehmen, um auf den Ruhrradweg zu kommen. Heute blieb uns nichts anderes übrig, als die 20% hinunter zum Ruhrradweg zu fahren. Beide Hände an den Bremshebeln und wohldosiert die Bremsen andrücken, so hat es funktioniert. 

Gedenken

Unten angekommen war diese Gedenkstafel nicht zu übersehen. Geschichtsbewusstsein. 

Die Spuren des Bergbaus sind überall zu finden. Sei es eine Bahntrasse, Reste eines Betriebes, ein versperrter Stollenzugang oder wie die Zeche Nachtigall mit den ausgestellten Maschinen. Um sie zu besichtigen, waren wir zu früh. Alternativ sind wir zu eine kleinen Abstecher zum Steinbruch Dünkelberg im Muttental aufgebrochen. Der hat sich gelohnt. Wer genau hinschaut, kann den Kohlenflöz entdecken. 

Suchen: Kohlenflöz im Steinbruch

Nicht weit von Zeche Nachtigall und dem Muttental entfernt, verkehrt die ruhrtalFähre. Sie schließt eine Lücke des Ruhrradweges. Man zahlt, was einem die Überfahrt wert ist. Unsere Fährerfahrungen in Zons oder Hitdorf geben uns einen Anhaltspunkt für die Spende. 

Personen- und Rad-Fähre über die Ruhr

Es ist einfach schön, an der Ruhr entlang zu fahren. Abwechslungsreich. An so vielen Stellen könnte man verweilen. Fortlaufend entstehen andere Bilder.

Wehr

Der Kemnader See ist unsere nächste Station. Wir sind überrascht, dass am Dienstagvormittag ein sehr gut besuchter riesiger Flohmarkt, primär werden Kinderkleidung und Spielsachen angeboten, dort stattfindet. Etwas abseits davon machen wir eine kleine Pause mit Blick auf den See mit seinen Hobbykanuten. Die Kormorane über dem Wasser lassen vermuten, dass es genügend Nahrung für sie gibt.

Flohmarkt am Kemader See

Fast hätten wir den Fehler gemacht und wären an der Brücke Ruhr-Fall der Beschilderungen nach Hattingen-Blankenstein gefolgt. Am Haus Kemande bemerkten wir unsere Fehler beim Abbiegen. Immer der Beschilderung „Historische Altstadt Hattingen“ folgend, sind wir angekommen.

Das Hotel Birschel Mühle, an der Ruhr gelegen, ist unser zweitägiges Quartier in Hattingen. Nur 27 Kilometer haben wir heute zurückgelegt. Es ist und bleibt die kürzeste Etappe unserer Tour.  Vorsichtshalber hatte ich vom Kemnader See aus im Hotel angerufen und gefragt, ob ein Checkin vor 15 Uhr möglich sei. Man hat das bejaht. Für mich eine Erleichterung. Es gab zwar keine Anzeichen von Ermüdung oder Kopfweh, doch wollte ich sicher gehen, dass ein Mittagsschlaf möglich wäre. 

Am Hotel angekommen, habe ich alles was nötig ist geregelt. Währenddessen hat meine Frau sich mit einer älteren Dame, die seit Jahren im Objekt lebt, unterhalten. Klasse. 

NETT HIER, oder?

Nachmittags geht es in die historische Altstadt von Hattingen. Sie ist wirklich ein Schmuckstück und ein Besuch wert. Als wir zum zweiten Mal am Kirchplatz vorbei kamen, haben wir auf Stühlen der „KaffeeKneipenBar Vollmond“ Platz genommen und uns das Treiben angeschaut. Ein Mann kam, öffnete einen Verschlag an der Kirche, füllte einen Eimer mit Wasser und schlug anschließend eine Bambusstange in den Boden um eine Pflanze dort anzubinden. Wir kamen ins Gespräch, weil wir den „Garten“ rund um die Kirche wunderbar fanden und es ihm sagten. Eine Mischung aus Garten und Wildnis. Gelungen. 

Offensichtlich war es der Küster der Kirchengemeinde. Er erzählte uns von skurrilen Erlebnissen, die er in den vergangenen Jahren hat machen müssen. Sei es das ältere Ehepaar, das mit ihren e-bikes in die Kirche und um den Altarraum herum fuhr und auf die Frage, was das solle antwortete: Dann müssen sie die Kirchentür schließen; oder die Gruppe, die sich in die Wohnstube seines Hauses setzte, wo er kurz aus dem Haus war und die Türe offen stehen lies, weil sie annahmen es handele sich um ein Museum oder die ältere Damen die ihn wegen des Zustandes des Gartens lautstark beschimpfte… Doch die größte Gruppe der Besucher:innen seinen freundliche Menschen, die sich freuten über das, was sie sehen. Er hatte einen guten Humor.

Bügeleisenhaus

Wir haben uns bei diesem herrlichen Wetter in ein Eiscafé gesetzt. Meine Frau hat die Toilette aufgesucht. Sie kam und kam nicht zurück. Nach gut einer Viertelstunde will ich mich zur Toilette begeben. Unsere Taschen habe ich der Bedienung ans Herz gelegt. Da kommt meine Frau durch den Haupteingang auf mich zu. Sie ist erleichtert und erzählt, dass sie wohl den falschen Ausgang genommen habe und auf der Straße stand und nicht wusste, wie sie mich und das Eiscafé finden könne. Ihr Mobiltelefon war in ihrer Tasche und die war bei mir. An ihre Watch hat sie in diesem Stress nicht gedacht. 

Zum Schluss bin ich auf die Toilette. Auf dem Rückweg ins Café sah ich den Grund für ihre Verwirrung. Drei Türen standen zur Auswahl. Auf zwei gleich lackierten Türen ist der Hinweis „Feuertür. Tür bitte geschlossen halten.“  zu lesen. Und es gibt diese dritte Tür, die Haustüre. Nirgends ein Aufkleber oder Hinweisschild „Zum Eiscafé“. Der Stress hätte meiner Frau erspart werden können, wenn es eine einfache  Beschilderung gäbe.

Altstadt-Heldin

Nach dem guten Essen im italienischen „Restaurant Da Mario“, haben wir frühzeitig den Abend beendet. Morgen ist Ruhetag in Hattingen. 


Fröndenberg – Wetter (Ruhr)

19. August 2024. Ja, die Sonne scheint ins Zimmer. Heute werden 47,7 Kilometer auf dem Rad verbracht haben. 

Das Frühstück im Hotel war vielfältig und gut. Die Akkus sind geladen. Es kann losgehen. Im Verlauf des Tages haben wir mehrfach die Ruhr überquert. Gut gefällt mir, dass heute „Knotenpunkte“ an der Beschilderung angebracht waren. Das ist ein tolles Orientierungssystem.  

Blick auf die Ruhr am Morgen

Wieder eine der tollen kurzen Begegnungen entlang des Radweges. Ich schaute etwas länger auf das Display des iPhones. Eine Frau hielt an und bot uns Unterstützung an. Sie sah, das Komoot eingeschaltet war und stellte fest, dass wir ja gut gerüstet seien gegen die kleinen Lücken bei der Ausschilderung des Ruhrradweges. Einen Tipp gab sie uns für eine etwas unklare Wegführung.  Wenig später kamen wir an einem Gasthof vorbei. „Herzlich Willkommen“ ist über der Eingangstüre zu lesen. Rechts und links des Eingangs liegen noch Sandsäcke vom letzten Hochwasser. Sandsäcke haben wir noch einige zu sehen bekommen. Auch geschlossene Gastronomiebetriebe, die noch nicht wieder öffnen konnten. 

Sandsäcke vor der Tür

Viele Graureiher und einige wenige Silberreiher standen auf den Wiesen. Das Nahrungsangebot muss gut sein. An mehreren Stellen wurde auf Schildern auf „Vorsicht Bisambefall!“ hingewiesen. Die Böschung am Fluss „ist durch Bisambauten unterhöhlt. Es besteht Einsturzgefahr“ der Uferbefestigung.  

„AKKU VOLL“, eine Truppe von gut fünfzehn Menschen die schon länger auf der Welt, sind begegneten uns. Mit ihren roten Radlershirts waren sie nicht zu übersehen. Nett war der kurze Plausch. Sie unternahmen zusammen Radtouren. Heute eine Tagestour von Hagen nach Dortmund und zurück. 

In Schwerte entdeckten wir nach einer Mittagspause, dass die Ruhr auch zu Sportzwecken genutzt werden kann. Leider war niemand mit seiner Kajak im Wasser. Sehr gerne hätte ich beim Training zugesehen. 

Trainingsspiele

Um im Wildwasser zu fahren braucht es Können und Energie. 

Ruhr und Energie, das gehört zusammen. Das Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk der RWE am Hengsteysee, heute Industriedenkmal, ist für mich ein Sinnbild dafür. Unter den Stromleitungen, zwischen den Druckrohrleitungen sind der erste Weinberg von Herdecke entstanden. Klimawandel. 

Endlich auf einem schönen Plätzchen am Hengsteysee kam unsere mitgeführte englische Decke zum Einsatz und wir so zu einem Päuschen unter der Sonne. Wie wunderbar wäre es gewesen, wenn da jemand mit einem Espresso vorbeigekommen wäre. So begnügten wir uns mit Wasser. 

Platz unter der Sonne

Nach dieser Pause ging es erneut über eine Brücke um in Richtung Wetter entlang der Ruhr zu fahren. Im Ortsteil Wengern hatte ich ein Zimmer im Hotel Elbschetal bestellt. 

Das Zimmer ist nicht so, wie wir es uns gewünscht und in den drei vergangenen Hotels gehabt haben. Für mich sind das Zimmer und das kleine Bad okay. Doch meine Frau hat sofort zugemacht. Es passt nicht. Um sich vor dem Verkehrslärm zu schützen, muss das Fenster geschlossen sein. Schade. 

Der „alte Dorfkern“, auf den verwiesen wird und nur ca. 50 Meter vom Hotel entfernt beginnt, ist so überschaubar, dass er fast zu übersehen ist. Er bietet keine Möglichkeiten zum Verweilen. „Ich will nach Hause.“ Wir laufen durch die Siedlung, entdecken Alpakas auf einer Weide und ein altes Viadukt, was heute für Radfahrer zur Verfügung steht. Wir könnten dort hoch fahren um zum Ruhrradweg zurückzukehren. Um zu schauen, wie weit und wie steil es hoch geht, sind wir zu Fuß dort hin. Die Steigung liegt bei mehr als 15 % bis hoch zum Viadukt. Gut 500 Meter ist diese Zufahrt lang. Fazit: Wir suchen uns morgen früh einen anderen Weg. Selbst mit der maximalen Unterstützung ist es nicht sicher, dass meine Frau dies mit dem bepackten Rad meistern kann. Bei mir bin ich mir ebenso nicht sicher. 

Dass ausgerechnet montags das Restaurant des Hotels seinen Ruhetag hat, hat es nicht besser gemacht. So sind wir zu einem fußläufig erreichbaren Discounter und Bäcker gegangen und haben für ein Picknick eingekauft. Im Hof des Hotels, der wohl als Biergarten genutzt werden kann, haben wir uns niedergelassen und gegessen. 

„Wunderschön“, die Sendereihe des WDR haben wir im BR gefunden und geschaut. Das Alpenvorland, wurde vorgestellt. Da waren wir im vergangenen Herbst für vier Woche zur Reha. 

Morgen, nach dem Frühstück, geht es nach Hattingen. Die Strecke ist recht kurz. Für zwei Nächte bleiben wir dort. Ein Ruhetag wird uns gut tun. 


Eversberg – Fröndenberg / Ruhr

18. August 2024. Oh. Wann waren wir die ersten Gäste bei einem Frühstück? Etwas mehr Vielfalt bei den Marmeladen und dem Käse hätte mich beim Frühstück gefreut. Insgesamt war es jedoch in Ordnung. 

Laut Prognose sollte es doch ab 10 Uhr aufhören zu regnen. Statt dessen war es bis kurz vor zehn trocken. Der einsetzende Sprühregen, den der von vorne blasende kühle Wind ins Gesicht und in die Kleidung drückte, war alles andere als motivierend. 

Nach einer Stunde war bei meiner Frau die Luft raus. In einer Bushaltestelle ohne Sitzgelegenheit machten wir eine Rast. Powerriegel, Apfel und etwas Saft, gepaart mit Umarmen und Windstille, taten gut. Bis Arnsberg, die geplantenStation, waren es noch rund 16 Kilometer. Ohne Power gegen den Wind und Sprühregen werden die unendlich lang. Eine Tankstelle nutzen wir für eine Toilettenpause. Sitzend schlürften wir ein Heißgetränk. 

Danach ging es meiner Partnerin deutlich besser. Mental gestärkt und etwas aufgewärmt, radelte es sich einfacher. 

Rund um Oeventrop kamen wir nicht zügig voran. Wie ein „Besuch in einem Museum“, kam es meiner Frau vor. Zahlreiche Kunstobjekte säumten den Ruhrweg. Fotografieren war Pflicht. Berührend fand ich die Installation in Gedenken an die ehemals existierende drei Stuhlfabriken im Ort. 

Jeder Stuhl ist anders gestaltet

Anpassen

Ich habe das Fahren meiner Frau anders als gestern begleitet. Gestern habe ich mich bis auf zwei Momente darauf beschränkt meiner Partnerin zu sagen, wie sie was beim Fahren einstellen sollte. „Drücke bitte links auf + und sag mir, was da steht? Welche Zahl steht rechts. Schalte mal auf 2.“ Das war eine Überforderung.

Sah ich jetzt eine Steigung, habe ich angehalten. Meine Frau stellte sich mit ihrem Rad neben mich. Ich stellte den Grad der Unterstützung durch den Motor und den Gang ein. Mit einer Anweisung, wie wir fahren werden, ging es weiter. Vor jeder größeren und steileren Abfahrt habe ich uns beide daran erinnert, ausschließlich und durchgängig mit beiden Bremsen gleichzeitig zu bremsen. War die Steigung überwunden, hielten wir erneut, um die Unterstützung an das Profil des Weges anzupassen. Das war gut, sagte sie mir später. Bei diesen kleinen Stopps habe ich nicht selten etwas zu trinken gereicht. In der Regel Apfelsaft. Zu Trinken vergisst sie häufig.

Zweiter Streckenabschnitt

Im Museumscafé von Arnsberg gab es Tee und eine kleine warme Mahlzeit. Nach einer Dreiviertelstunde entspannter Pause ging es auf die zweite Hälfte der Strecke. Obwohl wir im Altstadtkern waren, haben wir uns keine weitere Zeit gegönnt, um durch die Gassen zu gehen. Mit dem Rad sind wir hoch zur Burg und dann mit heiß laufenden Bremsen wieder runter zum Fluss gefahren.

Es fuhr sich prima auf dem Radweg. Weite Strecken führte der Ruhrweg direkt am Fluss entlang. Doch für rund vier Kilometer mussten wir einer Umleitung folgend, auf einer gut befahrenen Landstraße ohne Radspur, fahren. Es ging, doch ich war angespannt. Alle paar Meter ging mein Blick in den Rückspiegel um sicher zu sein, dass meine Frau nah bei mir fährt.

Wir haben großen Respekt von dieser Kunst

Mir ging durch den Kopf, dass fast bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Waren und Güter aller Art auf der Ruhr transportiert wurden. Mit dem Bau der Ruhrtalbahn, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, verlor die Schiffahrt ihre Funktion. Mit der Deindustrialisierung des Ruhrgebietes verlor die Bahn ihre Bedeutung. Die Rolle der Bahn übernahm der Güterverkehr auf der Straße.
Beim Fahren sah ich oft diese Trias aus Ruhr, Schiene und Autobahnbrücken.
Und heute radeln wir hier entlang, vorbei an Orten, die als Bergbau- oder Produktionsstandorten weitgehend ihre Bedeutung verloren haben.

Autobahn – Schiene – Fluss

Die Beschilderung auf dem Ruhrtalweg ist dann in Ordnung, wenn man nicht abzweigen muss, sei es durch Baustellen oder durch Neugierde. Zum Fluss findet man irgendwie immer. Nur für das Kreuzen der Bahngleise, muss man dann doch schon einmal einige zusätzliche Kilometer fahren. So entdeckt man Neues.

Imkerei

Tagesziel

Nach 7:25 h und 69,6 Kilometer, haben wir am „Das neue Hotel am Park“ in Fröndenberg unsere Fahrräder abgepackt. Das Zimmer ist geräumig und die Dusche gut.

Nicht weit vom Haus befindet sich das Kettenschmiedemuseum, was sicherlich interessant sein wird. Heute war es schon geschlossen. Ein anderes Museum hätte ich auch gerne besucht, doch niemand wollte um kurz nach 18 Uhr noch auf mich warten.

Rennradmuseum

Ich habe mich beim Abendessen in einem Lokal am Marktplatz von Fröndenberg über das Lächeln und gute Stimmung meiner Frau gefreut. Für sie war dieser Tag eine große Anstrengung. Weder örtlich noch zeitlich kann sie das, was wir gemeinsam erfahren, einordnen. Sie muss – und darf – sich fragend versichern, wo wir gerade sind, was unser Ziel ist, wie lange wir heute noch unterwegs sein werden und ob ich schon ein Zimmer gebucht habe. Und doch haben wir Spaß. Ob Graureiher auf einer Wiese stehen, wir Kunstobjekte entdecken, ein Oldtimer am Weg steht, mit anderen ins Gespräch kommen, die Ruhr spiegelglatt ruht und dann wieder Schwallstrecken zu sehen sind. Die Vielfalt freut uns. Jetzt, da die Etappen kürzer werden und das Wetter freundlicher zu werden scheint, hoffe ich auf weniger Stress für meine Frau und mich.

Montag geht es nach Wetter.


Winterberg – Meschede-Eversberg

Nebel steigt auf

17. August 2024. Nach einem leckeren Frühstück mit unter anderem frisch zubereiteten belgischen Waffeln, lässt es sich gut in den Tag starten. Nieselregen sind angekündigt.

Beim Frühstück konnten wir noch entspannt ins Tal schauen. Als wir zu den Fahrrädern gingen, begann der Regen. In der Garage die Montur aus Regenhose, Überzieher für die Schuhe und Regenjacke ausgepackt und angelegt. 

Gute Laune beim Start

Raus aus der Stadt meint hoch auf den Berg. Steigungen auf dem Weg zur Ruhrquelle sind nicht zu vermeiden. Die erste hat meine Frau noch geschafft und war danach geschafft. Eine Viertelstunde haben wir zur Entspannung die Gegend uns angeschaut.  Zweite Steigung ging gar nicht. Mentale und körperliche Erschöpfung. Gemeinsam haben wir geatmet. Ich machte vor, sie folgte. Nach und nach wurde das Atmen wieder flüssig und sie ruhiger.  Atemübungen sind so wichtig. Etwas Apfelsaft und 1 1/2 Energieriegel später, ging es besser. Ihr Rad habe ich wie meins nach oben gefahren, während sie langsam zur Kuppe hochging.  

Ruhrquelle

Die Quelle der Ruhr ist selbst bei Regen ein viel besuchter Ort. Kaum vorzustellen, dass aus dem Rinnsal daraus mal die Ruhr wird. 

Ruhrquelle

Der Ruhrweg führt über Feldwege. Nur wenige Teile sind asphaltiert. Viele Naturpisten, Schotterabschnitte und unebene Wege. Das ist bei dem Regen nicht so angenehm zu fahren. 

Die Streckenführung entlang der Ruhr, gefällt mir. Das Ruhrtal steht im Mittelpunkt. Der Fluss, noch auf dem Weg zu einem Bach zu werden, ist durch die Gräser kaum zu erkennen. 

Unschwer zu erkennen: Die Ruhr

Auf einer Abfahrt rutscht meine Frau auf dem nassen Schotter weg und stürzt. Ihr verzweifeltes Rufen, lässt mich in die Bremsen gehen. Sie liegt auf dem Weg, das Rad halb auf ihr. Alleine Aufstehen geht nicht. Das Rad ist zu schwer und die Koordination von Arm und Bein gelingt nicht. Andere Radreisende halten, fragen nach und bieten Hilfe an. Wir werden sie später wieder treffen und sie fragen erneut nach, ob alles in Ordnung sei. Toll. 

Schock. Keine körperliche Verletzung. Wir machen eine Pause im Regen, der nicht stört. Es braucht ein wenig, um wieder auf das Rad zu steigen. Bevor es weiter geht, prüfe ich die Funktion der Bremsen und kontrolliere das Gepäck. Wir haben Glück gehabt.

Es sind noch gut 10 Kilometer bis Olsberg. Dort möchte ich Pause machen. 

Die dritte Steigung wartet rund 4 Kilometer später. Blockade. Ich schaffe das nicht, so meine Partnerin.  Doch, wir versuchen es. 

Gemeinsam sind wir ein wenig zurück gefahren, Turbo auf dem Boschdisplay eingestellt und den 1. Gang eingelegt . Mit den anfeuernden Rufen „schaffst du, treten, treten…“ habe ich sie die Steigung hoch geputscht. Sie hat es geschafft und musste oben noch etwas auf mich warten. Andere Radreisende hatten auch ihre Schwierigkeiten mit der Steigung und versuchten  Schlangenlinien fahrend den Aufstieg. 

Mich erwartete „Ich bin fertig.“ Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Das stimmt. 

Hinweistafel in Assinghausen

Olsberg ist erreicht. Die wohlverdiente Pause vom Regen und Rad fahren haben wir im Café Hagemeister eingelegt. Suppe und Quiche.  

Der Regen setzt aus. Kräfte und das Lächeln kehren zurück. Jetzt, bei trockenem Wetter durch die Dörfer, an einem Samstagnachmittag, kommt mir vieles bekannt vor. Kehren vor dem Haus, Wagen waschen, Gartenabfälle zusammen tragen und wo nichts zu tun ist, Ruhe.

Auf dem Wegweiser steht: Meschede 16 Kilometer. Eversberg ist ein Stadtteil von Meschede. Ab jetzt ist der Radweg durchweg asphaltiert. Auf kleinere Steigungen folgen lange Abfahrten. Die Räder rollen. 

Ruhr nimmt Gestalt an

Hotel Lindenhof in EversBERG. Ich hätte es bei der Buchung wissen müssen. Allein der Ortsname verspricht Steigungen. Bike & Bed, meint nicht, im Flachland liegend. Also dann noch einmal 2 Kilometer im Wechsel hoch fahren und schieben. Meine Frau ist stehend k. o. Doch wir haben es gemeinsam geschafft. Selbst die letzen 250 Meter hoch, wurden von ihr auf dem Sattel sitzend gemeistert. 

Der Akku, voll geladen, hat nach den 46 Kilometer mit einigen Steigungen nur noch 2 Balken. In der Garage können wir die Akkus in den Fahrrädern laden. 

Clueso

Das Zimmer ist okay und die Dusche gut. Heute Abend haben wir das Restaurant getestet. Wunderbar, wie mit unseren Anforderung und Wünschen umgegangen wurde. Das ging nur, weil frisch gekocht wurde. Geschmacklich hat meine Frau ihr Fischgericht und mich das Sikafleisch richtig überzeugt. Sehr empfehlenswert der Service und die Speisen der Familie Hesse.

Was für ein Ausklang des Abend. Auf 3sat läuft ein Konzertmitschnitt von Clueso von der Berliner Waldbühne (2024). Dank unserer Kinder gehören wir zu seinen Fans. Perfekter Abschluss.


Monheim am Rhein – Winterberg

16. August 2024. Es geht los. 7 Uhr raus aus dem Bett. In aller Ruhe durchs Bad, frühstücken, die letzten Dinge in die Taschen packen, Blumen gießen, Geschirr spülen, Müll entsorgen und die Fahrräder aus dem Schuppen holen. Perfektes Timing. 

9:10 Uhr rollen wir mit den Rädern in Richtung Benrather Bahnhof. Rund vierzig Minuten benötigten wir für die knapp 10 Kilometer. 

Um 9:50 Uhr standen wir mit unseren Fahrräder auf dem Bahnsteig.

Bahnsteig in Benrath

Auf dem Bahnsteig stehend, wurde zwei Minuten vor der geplanten Abfahrtszeit des RE 1 ein Bahnsteigwechsel mitgeteilt. Nicht nur bei uns brach Hektik aus. Kinderwagen und Fahrräder wurden zum einzigen Aufzug geschoben. Als Nr. 2 und 3 erreichten wir den Fahrstuhl zu anderen Gleis. Doch dieser erwies sich als zu klein, um ein Fahrrad zu befördern. Treppen hoch mit bepackten e-bikes. Abpacken. Die Fahrradtaschen auf den Bahnsteig gebracht und meine Frau auf den Bahnsteig geschickt. 

Ihr Fahrrad gepackt, um es die zwei Treppen zum Bahnsteig hoch zu schaffen. Ein junger Mann sah das, kam zu mir und unterstützte mich beim Hochtragen. Erneut die zwei Treppen runter hetzend, mein Fahrrad packend, sollte es schnell gehen. Mittlerweile lief ein Zug ein, wie es sich später herausstellte, die S 6 nach Düsseldorf. Auf der Hälfte der Treppe stürzte ich mit dem Rad. Ein anderer junger Mann kam von Bahnsteig runter und half mir das Rad hochzutragen. Oben angekommen rief ich nach meiner Frau und hängte dabei die Fahrradtaschen an den Gepäckträger. Da fuhr der RE 1 ein. Meine Frau antwortete nicht. Ich sah sie nicht. An ihrem Rad hing ihre Lenkertasche mit allen Papieren und Geld. Ihr iPhone war in der Halterung am Lenker eingesteckt. 

110 Notrufnummer

Panik. Wo ist sie? Der RE 1 fuhr los, ich stand mit zwei Fahrrädern hilflos auf dem Bahnsteig. Rufen, schauen… Desaster.

Unsere Tochter angerufen: „Ich brauche deine Hilfe. Mama ist vermutlich in die S-Bahn in Richtung Hbf gestiegen. Sie ist ohne Papiere und Handy los.“ Meine Tochter hat sich in Bewegung gesetzt um die Bahnhöfe abzusuchen. 

Ich, 110, angerufen. Warteschleife, „Bitte legen sie nicht auf…“ Nein habe ich nicht. Die Schilderung des Sachverhaltes, bei der Personenbeschreibung durchgebend, fiel mir auf einmal ein, dass meine Frau ja ihre Apple Watch mit eSims trägt. Das Gespräch mit der Polizistin habe ich mit dem Hinweis auf die Watch beendet und meine Frau angerufen. Sie nahm das Gespräch an. Aufgeregt schilderte sie mir, sie habe den Zug in Reizholz verlassen. „Bleib bitte wo du bist, deine Tochter kommt gleich und holt dich ab.“ Mit meiner Tochter telefoniert und ihr durchgegeben, wo sie Mama finden würde. 

„Bleib wo du bist“, war die falsche Anweisung. Sie hatte sich mittlerweile vom Bahnhof entfernt. Im nächsten Telefonat sagte sie, dass sie nicht mehr am Bahnhof sei. „Bitte geh zum Bahnhof zurück. Geht das?“ Es hat funktioniert. 

Mit den beiden Fahrräder habe ich es bis zum Bahnhofsvorplatz geschafft.

Meine Knie wurden schwach, ich zitterte etwas und Schwindel holte mich von den Beinen. Ein Passant mit Sauerstoffgerät fragte, ob er Hilfe holen solle. Aus dem mittlerweile eingetroffenen Polizeiwagen stiegen drei Polizist:innen aus, kamen zu mir rüber und fragten, ob alles in Ordnung sei. „So wie sie aussehen, wäre es gut zur Abklärung einen RTW anzufordern“, sagte eine Polizistin. Dankend lehnte ich ab und erzählte die Story. Ich bat sie, die Leitstelle anzurufen und mitzuteilen, dass meine Tochter ihre Mutter gefunden habe und sich auf dem Weg zu mir befindet. 

Man wolle noch auf meine Tochter und Frau warten. Erneut boten sie mir an, einen RTW zu rufen. Offenbar hatte sich die Farbe meines Gesichtes in aschfahl verwandelt. Stabil fühlte ich mich nicht. Sitzend, viel Wasser trinkend und Atemübungen machend, kam langsam Stabilität zurück. 

Wiedervereint

In dem Moment, wo ich die Stimme meiner Tochter hörte, mich umdrehte und die beiden sah, kam mein Lächeln zurück und die Augen wurden feucht. Es tat gut, meine Frau in den Arm zu nehmen, sie festzuhalten und ihr zu sagen, wie gut sie doch diese Stresssituation gelöst habe, indem sie am nächsten Bahnhof die S-Bahn verlassen habe. Die Polizist:innen erkundigten sich, ob alles in Ordnung sei. Das konnte ich bestätigen. 

Wie weiter

In mir hing die Frage fest: Neuer Anlauf oder für heute die Anreise absagen? Meine Frau war sofort wieder dabei, als ich fragte, ob wir den nächsten Zug nehmen sollten. Doch ihr dringendes Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen, hat dem einen Riegel vorgeschoben. 

Meine Tochter bot an, uns nach Winterberg zu fahren. Sie könne ihren Verpflichtungen später nachkommen. Wir radelten wieder zurück nach Hause und hatten 19,3 Kilometer auf unserem Tacho stehen. Von Monheim am Rhein ging es mit dem Auto und den Fahrrädern auf dem Träger nach Winterberg. Etwas mehr als 30 Minuten später, als geplant, kamen wir in Winterberg an.

Die Pension „Haus Talblick“ in Winterberg in Winterberg, hat uns positiv überrascht. Zum einen ist der Preis von 80 € für ein Doppelzimmer mit Talblick und Frühstück für eine Nacht, die preisgünstigste Unterkunft unserer Radtour und zum anderen, ist das Zimmer geräumig und gut ausgestattet. Eine Empfehlung. 

Blick von unserem Balkon

Rechts die weltberühmte Bobbahn, dann ein kleiner Teil des größten Bikeparks in Deutschland mit aktuell „17 professionell angelegten“ MTB Strecken mit einer Gesamtlänge von über 20 Kilometer. 

Winterberg hatten wir noch nie besucht. Eine quirlige Altstadt. Niederländisch ist die Zweitsprache auf der Straße und in Cafés. Die Dichte an Sportgeschäften hat mich beeindruckt.  

Noch einmal war kurz der Stress vom Vormittag Gegenstand einer Feststellung meiner Frau. Ich bekräftigte, dass sie es gut gelöst habe. 

Zum neuen Thema meiner Frau wurde ihre Erkenntnis, dass wir ja jeden Tag wo anders schlafen würden. Schauen wir mal, was daraus folgt.

Wegweiser zur Ruhrquelle

In der Planung unserer Anreise hatte ich mir viele Situationen vorgestellt, die Stress auslösen könnten. Auf das, was heute Vormittag geschah, war ich nicht vorbereitet. Mich hat gewundert, dass ich nicht zuerst an die Watch gedacht und die Erreichbarkeit meiner Frau im Blick hatte. Den Anruf bei 110, hätte ich mir ersparen können.
Für die Unterstützung durch unsere Tochter bin ich unendlich dankbar.

So, jetzt sind wir am Startpunkt unserer Reise. Morgen früh, nach dem Frühstücken geht es los.
Tagesziel ist Eversberg, ein Stadtteil von Meschede.


Es geht voran…

24. August 2024

Das und noch mehr, kommt in die Packtaschen

Die Nervosität steigt bei mir. Das Zusammenstellen der Dinge, die mit auf die Radtour gehen, zieht immer wieder Fragen nach sich. Sie alle drehen sich für meine Frau darum, wann wir fahren. Bei mir dreht sich fast alles um die Frage: Brauchen wir das? Was brauchen wir wirklich? Im Zweifel weniger, als mehr. Die kleinen Diskussionen pendeln zwischen witzig und nervig. Es gibt diese kleinen Momente, wo ich nach dem alltäglichen Gebrauch von, z. B. einer Pinzette frage und in ein erstauntes, freundliches Gesicht schaue. Nein, wir brauchen und nehmen keine drei Pinzetten oder Kämme mit… Eine Mischung aus Interesse und Teilnahmslosigkeit begegnet mir. Unsere gute Laune, die geht dabei nicht flöten.

Heute haben wir die Packtaschen beschriftet und leer an die Gepäckträger gehangen um zu testen, wie viel Spiel die Taschen haben. Alles passt, nachdem bei meinen Taschen Zwischenstücke eingesetzt wurden. Vielleicht werden wir morgen spontan unsere Fahrräder putzen.

Die NRW Tagestickets für die Räder, werden wir morgen besorgen.


Fix machen

240812

Der Routenplan steht.

In den vergangenen Tagen habe ich die gesamte Wegstrecke entlang der Ruhr und der Rheines in Etappen aufgeteilt. Zwischen 34 und 65 Kilometer sind die Tagesetappen lang. Geschätzte 320 Kilometer werden wir auf den Sätteln verbringen. Mit unseren E-Bikes dürfte das keinerlei Probleme bereiten.

Alle gebuchten Quartiere sind bestätigt: Winterberg – Meschede-Eversberg – Fröndenberg – Wetter – Hattingen – Mülheim an der Ruhr und Wittlar

Bei der Planung der Etappen habe ich das nicht kalkulierbare Ruhebedürfnis meiner Frau versucht mitzudenken. Ihre Unpässlichkeit lässt sich nicht planen. Eine der vielen Blackboxen, die unsere Reise bereit halten wird. Obwohl, nichts muss, alles kann. Diese Erkenntnisse habe ich aus dem Alzheimer Therapiezentrum in Bad Aibling mitgenommen.

Das Packen beginnt

Im Gästezimmer wächst stetig der Haufen um die Dinge, die ein Gedanke so mit sich bringt.

Die Wetterprognosen verheißen Wärme, Hitze und Regen. Selbst in Winterberg sind 22 Grad zu erwarten. Spätestens Donnerstagmittag sind die Fahrradtaschen gepackt. Die Ausnahme, unsere Kulturbeutel.


Ein Plan

In vergangenen Tagen wären wir nach unserer gemeinsamen Planung auf die Räder gestiegen. Heute ist mehr denn je Flexibilität in der Planung und in ihrer Kommunikation erforderlich. Immer wieder fällt meiner Frau ein, etwas zu fragen. Nicht immer erkenne ich sofort, worum es ihr geht. Dann wieder ist sie erstaunt, was wir alles vorhaben und freut sich.

Noch bin ich mit den Vorbereitungen beschäftigt. Täglich sprechen wir über die Tour. Der Plan ist, für die Anreise nach Winterberg den RE 1 bis Dortmund zu nutzen. Im RE sind Fahrradstellflächen und Toiletten vorhanden. In Dortmund steigen wir in den Fahrradbus, der uns direkt nach Winterberg bringt. Nach 8 Etappen, in 9 Tagen, wollen wir wieder zu Hause die Fahrräder abstellen.

Wo schlafen wir

In den vergangenen Wochen ist in den „Gesprächen“ klar geworden, dass ich die Quartiere entlang der Route festlegen muss. Meine Frau hat immer wieder die Sorge formuliert, keinen Platz zum Schlafen finden zu können. Abgesehen davon, dass viele Quartiere keine freien Kapazitäten mehr hatten, war ich hin- und hergerissen, wie viele Kilometer wir täglich zurücklegen sollten. Das wiederum sagt etwas über die Quartiere aus. Ebenso besprachen wir, ob ein Ruhetag uns gut tun würde. Ja, wir werden einen Ruhetag einlegen. Nach der 5. Etappe, soll in Hattingen für zwei Nächte Quartier bezogen werden.

Wie es uns gemeinsam gelingt, die voraussichtlich 300 Kilometer zu fahren, wird sich zeigen. Noch habe ich keine Idee, wie ich den Unpässlichkeiten während der Tour begegnen und wie ihrem Ruhebedürfnis Rechnung getragen kann.

Dank Vinted konnten wir einiges an Fahrradkleidung ergänzen.
Meine Frau freut sich, dass wir verreisen. Das wir mit dem Rad reisen, findet sie gut.
Sie mag es sehr, sich auf ihr Rad zu setzen. Ich ebenfalls. Dann geht es in einer Woche los.

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