Wozu braucht es noch das Fragezeichen? Scheint doch alles in allem geklärt zu sein, oder warum dominiert das Ausrufezeichen?
Das Wetter wird ungemütlicher. Grönland wird eisfrei. Die Meeresspiegel steigen. Die verfügbaren Ressourcen schrumpfen und ihre angemessene Verteilung misslingt. Hunger, Durst und Obdachlosigkeit sind schon da. Wer es sich materiell leisten kann, wird sich einrichten.
Wer denkt, dass andere für einen denken sollen, wird fraglos unzufrieden sein mit unserer pluralen Gesellschaft. Wem alternative Fakten vertrauter sind als das eigene Nachdenken, wird möglicherweise die Inthronisierung eines neuen, starken, autokratischen Führers begehren. Wer einem dualen Weltbild konsumierend anhängt, wird beginnen die Nachfragenden und Anders denkenden zu hassen. Wem die Augen schmerzen ob der Vielfalt in unserer Gesellschaft, sucht sich Verbündete, deren Epidermis vergleichbar getönt ist und schottet sich ab. Wem das alles zu antrengend wird, zieht sich klaglos zurück und sortiert, was übrig bleibt und hofft… Ja, auf was hofft man denn so, ohne Fragen?
Vielleicht warten wir noch mit der „ultimativen Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ und hoffen, dass uns mehr als 42 von KI als Antwort zur Verfügung gestellt wird. Zugegeben, eine absolute Gewissheit als Antwort auf gestellte Fragen zu finden, gibt es nicht.
Berthold Brecht, lebte im letzten Jahrhundert und hat sich mit dem Fragen eingehend in seinem Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ befasst. Selbst auf die Gefahr hin, dass das als linkes Gewäsch eingestuft wird, sich zu fragen, was hinter den glatten, plakativen Aussagen und Versprechungen steckt, schadet nicht. Nicht jede Antwort gefällt.
Ich finde noch immer, dass die ermutigende Alternative von der Sesamstraße ausgerufen wurde:
„Der, die, das
Wer, wie, was
Wieso weshalb warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm.“
Oder frag doch einfach mal die Maus. Warum denn nicht?
Mir gefällt der von Michael Friedmann formulierte Satz:
„Mein Lebenszeichen ist das Fragezeichen.“
(TAZ Interview 3./4.09.2022)
5/2024
„Wer fragt, übernimmt Verantwortung“
Ich höre sehr gerne den Podcast „Hotel Matze„. Vor einigen Wochen verfolgte ich das Gespräch von Matze mit Sophia Fritz. Unter anderem schilderte sie ihre Erfahrung mit ihrem damaligen Partner, der auf Fragen verzichtete. Es war ihr schwer, das zu akzeptierte und fragte nach. Seiner Auffassung nach, muss man frei erzählen und nicht mit Fragen, einen anderen unter Druck zu setzen.
Ihre Antwort darauf beschäftigt mich: Wer fragt, übernimmt Verantwortung.
Das treibt mich um, tue ich mich doch manchmal schwer, in und nach belastenden Situationen, zu fragen. Wie gesagt, darüber denke ich nach.
5/2024
Fragebogen – Max Frisch
Obwohl schon vor vielen Jahren zusammengetragen, treffen die Fragen von Max Frisch, dem schweizerischen Dichter und Denker, mitten ins Leben. Zeitlos. Nicht immer angenehm, sich schonungslos, offen und ehrlich zu sich selbst, seinen Fragen zu stellen. Das macht ja gerade den Reiz des „?“ aus.
worklove Ein Fragebuch
4/2024
Vor gut einem Jahr sah ich dieses farbenfrohe und grafisch wunderbar aufgemachte Buch im Museumsshop des nrw-forums in Düsseldorf. Ich habe es gekauft und schon mehrfach verschenkt. Auf 255 Seiten nur Fragen. Wie im richtigen Leben.
Mein Exemplar zieren zahlreiche Post-its. Sie markieren Fragen, die mich immer wieder beschäftigen. Manchmal ziehen sie auch um.
Beispiele: (30) „Wenn es im Leben knirscht, hältst du dagegen oder ziehst du zurück?
oder: (357) „Was tust du heute nicht, was du später bereuen wirst? und ein letztes Beispiel: (884) „Hältst du fest, um nicht zu vergessen?
Die vier Kapitel: Freiheit – Angst – Schmerz – Liebe geben den Fragen einen Rahmen.
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